Vernetzungsstelle Seniorenernährung
Ernährung und Demenz
„Nicht der Mensch mit Demenz muss sich an seine Umwelt anpassen, sondern die Umwelt an ihn!“
(nach Thomas Marris Kitwood, britischer Gerontopsychologe, 1995)
Daten und Fakten
In Schleswig-Holstein lebten Ende 2023 etwa 68.000 Menschen mit einer Demenz. Grundsätzlich kann eine Demenz in jedem Alter auftreten, allerdings steigt das Risiko mit höherem Alter stark an. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Eine Demenz ist meist mit intensiver Pflegebedürftigkeit verbunden, wobei etwa 80 % der Betroffenen im häuslichen Umfeld versorgt werden.
Auswirkung auf das Ess- und Trinkverhalten
Bei einer Demenz verändern sich häufig sowohl die visuelle (sehen), als auch die auditive (hören) Wahrnehmung. In einigen Fällen kann die mangelnde visuelle Orientierung dazu führen, dass Lebensmittel und Getränke gar nicht mehr als solche erkannt oder Speisen als giftig betrachtet werden. Darüber hinaus können Menschen mit Demenz empfindlicher auf Geräusche reagieren bzw. sich leichter von solchen ablenken lassen. In einer entspannten und ruhigen Atmosphäre gelingt das Essen in der Regel besser.
Der fortschreitende Verlust der Gedächtnisleistung bei einer Demenz kann sich sehr unterschiedlich entwickeln. Besonders betroffen ist das Kurzzeitgedächtnis. Mit zunehmendem Fortschreiten der Krankheit kann auch das Langzeitgedächtnis beeinträchtigt werden, sodass sogar ältere Erinnerungen verblassen, was zu Orientierungslosigkeit führen kann. In der Folge haben Betroffene oft Probleme, alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Das kann sich auch auf das individuelle Essverhalten auswirken.
Die Veränderung sozialer Fähigkeiten bei Demenz kann das Essverhalten erheblich beeinflussen. Da Betroffene zunehmend Schwierigkeiten haben, soziale Normen zu verstehen oder Gespräche zu führen, kann das gemeinsame Essen in Gesellschaft unangenehm oder überfordernd sein. Betroffene könnten das Bedürfnis nach sozialer Interaktion während der Mahlzeiten verlieren, was zu Isolation führen kann.
Oft beeinträchtigt eine Demenz das Hunger- und Sättigungsgefühl. Häufig haben die Betroffenen keinen Appetit oder essen übermäßig, ohne das Gefühl von Sättigung zu erleben. Beides kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken, etwa durch Gewichtsverlust oder -zunahme. Manchmal vergessen Betroffene, dass sie bereits gegessen haben. Auch das Bedürfnis nach regelmäßigen Mahlzeiten kann verloren gehen, da die Wahrnehmung von Zeit und Routine oft gestört ist.
Der Geschmackssinn ändert sich durch eine Demenzerkrankung häufig. Das kann dazu führen, dass die Betroffenen die Lust am Essen verlieren. Geschmacksrichtungen wie süß, salzig, sauer oder bitter können mitunter nicht richtig unterschieden werden. Vorlieben können sich ändern; häufig werden sehr salzige oder sehr süße Speisen bevorzugt.
Eine Demenz kann zu einer Schluckstörung (Dysphagie) führen, da die kognitiven und motorischen Fähigkeiten, die für das sichere Schlucken erforderlich sind, beeinträchtigt werden. Besonders bei fortgeschrittener Demenz verlieren Betroffene zunehmend die Kontrolle über die Muskelkoordination und die Wahrnehmung, die nötig sind, um Nahrung und Flüssigkeit sicher durch den Rachen in die Speiseröhre zu befördern. Die fehlende Koordination der Schluckmuskulatur kann zu einem unkontrollierten Verschlucken führen. Dadurch steigt das Risiko des Erstickens.
Zudem können Veränderungen im Gehirn, die das Verständnis von Speisen und deren Verarbeitung betreffen, dazu führen, dass die Betroffenen nicht mehr merken, wann sie schlucken müssen oder welche Nahrungsmittel schwerer zu schlucken sind. Es besteht ein Risiko des Einatmens von Nahrung oder Flüssigkeit in die Atemwege/Lunge (Aspiration), was zu Lungenentzündungen oder anderen gesundheitlichen Problemen führen kann.
Menschen mit Demenz haben mitunter einen erhöhten Bewegungsdrang, was den Energiebedarf immens steigern kann (zum Teil auf den Bedarf von Spitzensportler*innen). Oft sind sie so beschäftigt, dass sie das Essen nicht wahrnehmen oder das Bedürfnis, sich zu bewegen, stärker ist als der Hunger. Dies kann dazu führen, dass sie Mahlzeiten ablehnen oder weniger essen.
Zudem kann der Bewegungsdrang zu Ablenkungen während der Mahlzeit führen, sodass die Betroffenen die Nahrungsaufnahme unterbrechen, um sich erneut zu bewegen, was die gesamte Essenszeit verlängert und die Aufnahme von Nahrung beeinträchtigt. In einigen Fällen kann der erhöhte Bewegungsdrang auch dazu führen, dass Menschen mit Demenz unruhig oder gestresst sind, was zusätzlich den Appetit mindern kann.
Mangelernährung vorbeugen
Das Vergessen von Mahlzeiten, Veränderungen beim Hunger- und Sättigungsgefühl sowie bei der Geschmackswahrnehmung, das unübliche Verhalten am Esstisch oder der erhöhte Bewegungsdrang: Bedingt durch die verschiedenen Auswirkungen der Demenz auf das Ernährungsverhalten, besteht für die Betroffenen ein erhöhtes Risiko der Mangelernährung.
Empfehlungen für das Trinken
- Regelmäßig und in kleinen Mengen anbieten
alle ein bis zwei Stunden; besser kleine Mengen, da größere überfordern können - ansprechende Behälter verwenden
farbige Trinkbecher/Flaschen sind ansprechend; sollten einfach zu handhaben sein - Trinkhilfen nutzen
Becher mit Auslaufschutz oder integriertem Strohhalm können das Trinken erleichtern - Flüssigkeit in Nahrungsmitteln einbauen
wasserreiche Lebensmittel sind z. B. Gurke, Melone, Orangen; Suppen können als Flüssigkeitsquelle dienen - zu süße oder zu starke Getränken vermeiden
sehr stark zuckerhaltige oder koffeinhaltige Getränke können den Appetit und den Flüssigkeitsbedarf negativ beeinflussen; Wasser, ungesüßte Tees oder verdünnte Fruchtsäfte (2/3 Wasser, 1/3 Saft) sind bessere Alternativen - individuelle Getränkevorlieben berücksichtigen
Vorlieben sollten herausgefunden und berücksichtigt werden - Erinnerungshilfen nutzen
es gibt verschiedene Apps, die an das Trinken erinnern oder Trinkprotokolle (externer Link), die ausgedruckt und handschriftlich geführt werden können - auf Anzeichen von Dehydration achten
trockene Haut, dunklen Urin, plötzlich auftretende ungewohnte Verwirrung oder Müdigkeit; bei diesen Symptomen sollte sofort mehr Flüssigkeit angeboten oder ärztlicher Rat eingeholt werden - gemeinsam trinken
Gesellschaft kann zum Trinken animieren
Speisen zubereiten: Tipps und Empfehlungen
Schon mit einfachen Hilfestellungen und kleinen Veränderungen in der Speisenauswahl können Selbstständigkeit, Freude und Genuss beim Essen und Trinken so lange wie möglich erhalten bleiben.
Das alles ist Fingerfood
Als Fingerfood werden portionsweise Häppchen bezeichnet, die ohne Besteck mit maximal zwei Bissen gegessen werden können und gut zu greifen sind.
UNBEDINGT BEACHTEN!
- Häppchen auf keinen Fall mit Spießchen zusammenstecken!
- Häppchen sollten sich vom Teller und der Umgebung farblich gut abheben!
- Häppchen sollten nicht gleich auseinanderfallen!
- Häppchen sollte leicht zu greifen sowie einfach zu kauen und schlucken sein!
Speisen einnehmen: Tipps und Empfehlungen
Eine ruhige, strukturierte und einladende Essumgebung kann für Menschen mit Demenz hilfreich sein, um Ablenkung und Überforderung zu vermeiden und den Essprozess zu erleichtern. „Eat by walking“ kann insbesondere bei starkem Bewegungsdrang die Nahrungsaufnahme unterstützen. Wenn körperliche Einschränkungen die Einnahme von Mahlzeiten erschweren, können verschiedene Hilfsmittel genutzt werden.
Hilfsmittel für mehr Freude beim Essen
Weitere Informationen und Hilfen
Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein
Das Kompetenzzentrum Demenz ist Ansprechpartner zu allen Fragen rund um Demenz. Es hat den Auftrag, die Versorgungsstrukturen des Landes Schleswig-Holstein für Menschen mit Demenz und deren Angehörige auszuweiten, zu verbessern und qualitätsgesichert zu erhalten. --> zur Webseite (externer Link)
Mit dem Demenzwegweiser-SH bietet das Kompetenzentrum Demenz in Schleswig-Holstein überdies ein Portal an, auf dem schnell und übersichtlich passende Ansprechpartner*innen und Informationen in Schleswig-Holstein gefunden werden können. --> zum Demenzwegweiser-SH (externer Link)
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Broschüre der DGE: „Essen und Trinken bei Demenz“
In der Broschüre werden Maßnahmen zur Versorgung von dementiell Betroffenen vorgestellt. --> PDF herunterladen (externer Link)
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Podcast-Folge: „Essen vergessen?! Blickwinkel Demenz“
Die Podcast-Folge der DGE Sektion Niedersachsen gibt praktische Tipps, wie betreuende Personen die Verpflegung von Demenz-Betroffenen unterstützen können. --> zur Podcastfolge (externer Link)
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Demenzzahlen
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. stellt die aktuellen Zahlen für Deutschland dar (Stand: Ende 2023) und gibt einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung. --> zur Webseite (externer Link)
Das Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein stellt die Zahlen für Schleswig-Holstein dar (Stand: Ende 2022). --> zur Webseite (externer Link)